Semikommunikation als Herausforderung für audiovisuelle Translation:

die skandinavische Krimi-Miniserie Broen – Bron ('Die Brücke')

By Klaus Geyer (University of Southern Denmark, Denmark)

Abstract

English:

From a translatological point of view, semi-communication as a possible source for misunderstanding plays an interesting role in the pretty successful Swedish-Danish serial crime drama Broen – Bron (‘The Bridge’). The plot features a Swedish-Danish police collaboration and highlights the main problem area of Scandinavian semi-communication: the understanding of spoken Danish by Swedish people. Semicommunication is understood as receptive multilingualism in combination with productive monolingualism without previous foreign language learning. Because of their high degree of mutual intelligibility, based on extensive typological and genetic similarities, the Scandinavian languages Danish, Swedish and Norwegian are regarded as an example par excellence for this remarkable phenomenon. In this article, two selected sequences of Danish-Swedish semicommunication are examined with regard to (i) which translation strategies are chosen in the Scandinavian as well as in the Finnish subtitles in order to convey the problems of this special communicative constellation, and (ii) how the German (dubbed) and the English (subtitled) versions attempt to solve the task.

German:

Aus translatologischer Perspektive spielt Semikommunikation als mögliche Quelle von Missverständnissen in der sehr erfolgreichen schwedisch-dänischen Krimi-Miniserie Broen – Bron (‘Die Brücke’; in der deutschen Version mit dem Zusatz ‘Transit in den Tod’ versehen) eine interessante Rolle. Es geht darin um eine schwedisch-dänische polizeiliche Zusammenarbeit, bei der das Hauptproblem skandinavischer Semikommunikation besondere Aufmerksamkeit erfährt: das Verstehen von gesprochenem Dänisch durch Schwedischsprachige.

Unter Semikommunikation versteht man rezeptiven Multilingualismus kombiniert mit produktivem Monolingualismus ohne vorherigen Fremdsprachenerwerb. Wegen des hohen Grades an wechselseitiger Verstehbarkeit, die auf umfassenden typologischen und genetischen Ähnlichkeiten beruht, gelten die skandinavischen Sprachen Dänisch, Schwedisch und Norwegisch als Beispiele par excellence für dieses beachtenswerte Phänomen.

In diesem Beitrag werden zwei ausgewählte Sequenzen dänisch-schwedischer Semikommunikation unter den folgenden beiden Aspekten näher untersucht: (i) Welche Translationsstrategien werden in den skandinavischen, einschließlich der finnischen, Untertitelungen gewählt, um die Herausforderungen dieser besonderen kommunikativen Konstellation zu transportieren; (ii) Wie versuchen die deutsche (synchronisierte) und die englische (untertitelte) Version das Translationsproblem zu lösen?

Keywords: Semikommunikation, skandinavische Sprachen, Phonetik, Untertitelung, synchronisation, Dänisch, Schwedisch, Semicommunication, Scandinavian languages, phonetics, subtitling, dubbing, Danish, Swedish

©inTRAlinea & Klaus Geyer (2019).
"Semikommunikation als Herausforderung für audiovisuelle Translation: die skandinavische Krimi-Miniserie Broen – Bron ('Die Brücke')"
inTRAlinea Special Issue: The Translation of Dialects in Multimedia IV
Edited by: Klaus Geyer & Margherita Dore
This article can be freely reproduced under Creative Commons License.
Stable URL: https://www.intralinea.org/specials/article/2461

1. Einleitung

Die skandinavischen Sprachen Dänisch, Schwedisch und Norwegisch gelten wegen ihrer umfassenden typologischen und genetischen Ähnlichkeiten als Beispiel par excellence für eine Situation, die Semikommunikation (erstmals Haugen 1966), das heißt rezeptive Mehrsprachigkeit bei produktiver Einsprachigkeit, erlaubt. Die Konstruktion einer skandinavischen Sprachgemeinschaft (vgl. Uhlmann 2005) ist dabei durchaus auch durch die Ideologie der Verbundenheit der Nordischen Länder motiviert; so sind zum Beispiel Studienbewerberinnen und -bewerber mit einem in Norwegen und Schweden erworbenen gymnasialen Schulabschluss in Dänemark, im Unterschied zu anderen ausländischen Studierenden, vom Nachweis ausreichender Dänischkenntnisse befreit, und Entsprechendes gilt unter umgekehrten Vorzeichen für die anderen beiden Länder. Umgekehrt lassen die Praxis der interlingualen Übersetzung skandinavischer Literatur zwischen Dänisch, Schwedisch und Norwegisch, die nationalsprachige Untertitelung von Kinofilmen und Fernsehprogrammen aus den benachbarten skandinavischen Ländern und nicht zuletzt die Verwendung von Englisch als Lingua Franca in internordischen Kommunikationskontexten wie beispielsweise auf Seminaren, Tagungen und Konferenzen Zweifel an der tatsächlichen Existenz und am Funktionieren der internordischen Semikommunikation aufkommen.

Semikommunikation mit ihren möglichen Verständigungsschwierigkeiten spielt als Motiv in der sehr erfolgreichen Krimi-Miniserie Broen – Bron (Die Brücke) eine aus translatologischer Perspektive aufschlussreiche Rolle. In dieser Serie steht eine dänisch-schwedische polizeiliche Zusammenarbeit im Mittelpunkt, wobei das, wie einschlägige Untersuchungen (vgl. den Überblick in Schlüppert / Hilten / Gooskens 2016) zeigen, Hauptproblem der rezeptiven skandinavischen Mehrsprachigkeit schlaglichtartig zum Thema gemacht wird: das Verstehen von gesprochenem Dänisch durch Schwedischsprachige.

In diesem Beitrag wird beispielhaft an zwei ausgewählten, zentralen Semikommunikations-Szenen untersucht, welche Strategien einerseits die skandinavischen Untertitelungen (einschließlich der finnischen) wählen und welche Lösung andererseits die deutsche Synchronisation sowie die englische Untertitelung finden. Zunächst wird jedoch im folgenden Abschnitt 2 die Semikommunikation in den nordischen Ländern näher erörtert.

2. Semikommunikation in den nordischen Ländern

In diesem Abschnitt wird, auf der Basis von einschlägiger Überblicksliteratur (Vikør 2001, Braunmüller 2007, Karker et al. 1997, Bandle et al. 2002/2005) ein Überblick über die sprachliche Situation in den nordischen Ländern als Voraussetzung für Semikommunikation gegeben.

Zu den nordischen Ländern zählen die fünf unabhängigen Staaten Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden. Hinzu kommt die autonome Provinz Åland (eine zwischen Schweden und Finnland gelegene Inselgruppe, zu Finnland gehörig) sowie die autonomen Regionen Färöer und Grönland (im Nordatlantik; zu Dänemark). Die Bezeichnung Skandinavien hingegen umfasst nur die Länder Dänemark, Norwegen und Schweden.

Die nordischen Länder sind nicht nur durch sprachliche Gemeinsamkeiten geprägt (siehe nächster Abschnitt 2.1.), sondern insbesondere auch durch ein gemeinsames gesellschaftlich-kulturelles Verständnis bzw. eine gemeinsame gesellschaftlich-kulturelle Ideologie. Dies kommt beispielsweise durch verschiedene Institutionen wie den 1952 gegründeten Nordischen Rat und den 1971 gegründeten Nordischen Ministerrat, beide mit einem gemeinsamen Sitz in Kopenhagen, zum Ausdruck. Konkrete Manifestationen der Ideologie der nordischen Verbundenheit sind beispielweise das Felleshus, das die nordischen Länder gemeinsam in Verbindung mit den fünf diplomatischen Vertretungen (Dänemark, Finnland, Island, Norwegen, Schweden) in Berlin unterhalten (vgl. [url=http://www.nordischebotschaften.org]http://www.nordischebotschaften.org[/url]); zu nennen sind auch Reiseerleichterungen wie der Wegfall von Passkontrollen beim innernordischen Grenzübertritt durch die bereits 1954 etablierte Nordische Passunion. Den Übergang zum Thema Sprache markiert das 1978 eingerichtete Nordische Sprachsekretariat[1] und die 1987 in Kraft getretene Nordische Sprachkonvention, die den Bürgerinnen und Bürgern der nordischen Länder das Recht auf die Verwendung der eigenen Sprache im Kontakt mit Behörden und öffentlichen Institutionen in den anderen Ländern garantiert. Die Sprachkonvention erweist sich dabei vor allem für Sprecher/innen des Finnischen und des Isländischen als relevant, während Verdolmetschung oder Übersetzung zwischen den skandinavischen Sprachen nicht praktiziert wird (vgl. Torp 2013: 78).

2.1. Sprachen in den nordischen Ländern

Linguistisch dominiert werden die nordischen Länder von den skandinavischen Sprachen Dänisch, Schwedisch und Norwegisch, letzteres mit den zwei Schriftstandards Bokmål und Nynorsk. Isländisch und Färöisch als kleinere und auch konservativere nordgermanische Sprachen bilden als so genanntes Inselnordisch die westliche Peripherie. Finnisch im Osten sowie die samischen Sprachen im Norden als fenno-ugrische Sprachen sowie Grönländisch als eskimo-aleutische Sprachen weit im Nordwesten tragen zur beeindruckenden sprachtyplogischen Vielfalt in den nordischen Ländern bei. Dass auch in diesen Gebieten Semikommunikation möglich sein kann, liegt daran, dass jeweils eine skandinavische Sprache ko-präsent ist: Dänisch fungiert in Island, das sich 1944 als von Dänemark unabhängig erklärte, sowie in Grönland und Färöer als den autonomen Regionen des dänischen Königreichs als obligatorische Schul-Fremdsprache. Schwedisch ist durch die relativ starke Stellung der schwedischen Minderheit in Finnland und durch die Verankerung im finnischen Bildungssystem zumindest in einigen Regionen in Finnland potenzielles Kommunikationsmittel, und die Angehörigen der samischen Bevölkerung in Norwegen und Schweden sprechen in der Regel (auch) eine skandinavische Sprache als L1.

Nicht unerwähnt bleiben sollen an autochthonen Sprachen Romani sowie die nationalen Gebärdensprachen. Im Süden Jütlands nahe der Grenze zu Deutschland ist Deutsch autochthon. Was allochthone Sprachen angeht, sind es vor allem Schweden, Norwegen und Dänemark, wo sich Migrantensprachen wie zum Beispiel Polnisch, Türkisch, Arabisch, Rumänisch oder Bosnisch geltend machen; in zunehmendem Maße betrifft dies aber auch die anderen Länder.

Die folgende Karte in Abbildung 1 aus Haugen (1984) dient zur Orientierung über die autochthonen Sprachen und ihre Hauptdialekte:

Abbildung 1: Karte der nordischen Länder, Sprachen, Hauptdialekte (Haugen 1984: 27)

Bezüglich des Skandinavischen können Dänemark, Schweden und Norwegen als ein Dialektkontinuum beschrieben werden, das heißt als ein Sprachgebiet, in dem auf der lokalen Ebene auch über Staatsgrenzen hinweg der Nachbardialekt verstanden wird. Beginnend im deutsch-dänischen Grenzgebiet ergibt sich von Süd nach Nord grob skizziert ein Übergang von den jütischen Dialekten (Jütland) über die dänischen Inseldialekte (vor allem Fünen und Seeland) und die südschwedischen Dialekte (einschließlich Bornholm) bis zu den westschwedischen Dialekten (Götamål, Göteborg). Daran grenzen im Nordwesten die ostnorwegischen Dialekte (Oslo) und westlich von diesen die westnorwegischen Dialekte (Fjordland) an – die bereits manche deutlichen Ähnlichkeiten zu den inselnordischen Sprachen Färöisch und Isländisch aufweisen. Im Nordosten der westschwedischen Dialekte (Götamål, Göteborg) setzen die ostschwedischen Dialekte in Schweden (Sveamål, Stockholm) und in den jeweiligen Küstenregionen Finnlands das Kontinuum fort. Im Norden finden sich die nordschwedischen und nordnorwegischen Dialekte (Nordlanddialekte). Dass ein solches Dialektkontinuum eine ausgesprochen günstige Voraussetzung für Semikommunikation bildet, liegt auf der Hand.

2.2 Semikommunikation

Semikommunikation, von Haugen 1966 als Terminus geprägt, bedeutet rezeptive Mehrsprachigkeit bei produktiver Einsprachigkeit. Gemeint ist, dass Skandinavier/innen untereinander in ihrer jeweiligen (skandinavischen) L1 schriftlich wie mündlich kommunizieren und die Kommunikation dank der Gemeinsamkeiten der skandinavischen Sprachen trotzdem gelingt – im entsprechenden sprachpolitischen Kontext ist gern von der „nordischen Sprachgemeinschaft“ (den nordiska språkgemenskapen) bzw. vom „Verstehen der Nachbarsprachen“ (nabo- bzw. grannspråksförståelse) die Rede (vgl. zum Beispiel Grünbaum / Reuter 2013: 5). Durch die Präsenz der skandinavischen Sprachen in den nicht-skandinavischen nordischen Ländern und Regionen ist bei entsprechenden individuellen Voraussetzungen auch mit den Angehörigen dieser Sprachgemeinschaften Semikommunikation möglich. Begünstigende Voraussetzungen für gelingende Semikommunikation sind allerdings nicht nur ein geringer linguistischer Abstand der Sprachen bezüglich der genetischen Verwandtschaft und der typologischen Ähnlichkeit sowie, zu einem geringeren Grad, eine ähnliche sprachenpolitische Praxis in Bezug auf Internationalismen und Entlehnungen. Die Einstellung zu, die Motivation für und die Erfahrung mit Semikommunikation seitens der Kommunizierenden spielen ebenfalls eine gewisse Rolle, die aber nicht überschätzt werden sollte (vgl. Gooskens 2006). Typische Strategien in der Semikommunikation sind langsameres und deutlicher artikuliertes Sprechen, das Vermeiden bekanntermaßen ‚schwieriger‘ Wörter (wie beispielsweise der dänischen Zahlwörter[2]) sowie insgesamt eine erhöhte Aufmerksamkeit für Störungen und Bereitschaft zu Reparaturen im Gespräch.

2.3 Zwei Beispiele zur Illustration

Die Möglichkeiten und Begrenzungen und insbesondere die Rolle der skandinavischen Sprachen bei der innernordischen Semikommunikation soll durch zwei Beispiele – jeweils eines aus der Sphäre der geschriebenen und eines aus der Sphäre der gesprochenen Sprache – illustriert werden.

2.3.1. Geschriebene nordische Sprachen

Das erste Beispiel fokussiert die schriftliche Form der Sprachen anhand von Übersetzungen von Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, in (1) in der deutschen Fassung wiedergegeben. Leicht zu erkennen ist, dass Schwedisch (2), Dänisch (3) und Norwegisch (4) große Ähnlichkeiten aufweisen; insbesondere das Dänische und das Norwegische sind sich lexikalisch sehr ähnlich bzw. umgekehrt formuliert: Unter den skandinavischen Sprachen weicht das Schwedische am meisten ab. Es bedarf hingegen einiger Kreativität (oder eben philologischer Kenntnisse), um Gemeinsamkeiten mit dem ebenfalls nordgermanischen, aber eben deutlich konservativeren Färöischen (5) oder, noch weiter entfernt, dem Isländischen (6) zu finden. Die fenno-ugrischen Sprachen Finnisch (7) und Samisch (8) weisen, bei weitläufiger genetischer Verwandtschaft untereinander, kaum erkennbare Ähnlichkeiten auf. Ganz verschieden stellt sich das Grönländische (9) dar.

(1)

Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.

Schwedisch:

(2)

Alla människor äro födda fria och lika i värde och rättigheter. De äro utrustade med förnuft och samvete och böra handla gentemot varandra i en anda av broderskap.

Dänisch:

(3)

Alle mennesker er født frie og lige i værdighed og rettigheder. De er udstyret med fornuft og samvittighed, og de bør handle mod hverandre i en broderskabets ånd.

Norwegisch (Bokmål):

(4)

Alle mennesker er født frie og med samme menneskeverd og menneske­rettigheter. De er utstyrt med fornuft og samvittighet og bør handle mot hverandre i brorskapets ånd.

Ähnliche (und kognate) Textwörter mit beibehaltener Flexion sind in (5) in der Reihenfolge Schwedisch – Dänisch – Norwegisch versammelt:

(5)

alla – alle – alle ‘alle’

äro – er – er ‘sind’

människor – mennesker – mennesker ‘Menschen’

födda – født – født ‘geboren’

fria – fire – frie ‘frei’

och – og – og ‘und’

lika – lige – […]‘gleich’

värde – værdighed – (menneske)verd ‘Wert’

rättigheter – rettigheder – (menneske)rettigheter ‘Rechte’

de – de – de ‘die’

med – med – med ‘mit’

förnuft – fornuft – fornuft ‘Vernunft’

böra – bør – bør ‘sollten’

handla – handle – handle ‘handeln’

varandra – hverandre – hverandre ‘einander’

i – i – i ‘in’

anda – ånd – ånd ‘Geist’

broderskap – brorskap(ets) – brorskap(ets) ‘Bruderschaft, Brüderlichkeit’

Färöisch:

(6)

Øll menniskju eru fødd fræls og jøvn til virðingar og mannarættindi. Tey hava skil og samvitsku og eiga at fara hvørt um annað í bróðuranda.

In der färöischen Passage (6) sind zumindest die ersten Wörter – Øll menniskju eru fødd – sowie einige andere wie og ‘und’ oder bróður-anda wörtlich ‘Bruder-Geist’ den skandinavischen einigermaßen ähnlich.

Isländisch:

(7)

Hver maður er borinn frjáls og jafn öðrum að virðingu og réttindum. Menn eru gæddir vitsmunum og samvizku, og ber þeim að breyta bróðurlega hverjum við annan.

Im Isländischen (7) sind unmittelbar nur einzelne Wörter identifizierbar: er ‘ist’, virðingu og réttindum zu ‘Wert und Recht’, bróður(lega) ‘brüder(lich)’;

Finnisch:

(8)

Kaikki ihmiset syntyvät vapaina ja tasavertaisina arvoltaan ja oikeuksiltaan. Heille on annettu järki ja omatunto, ja heidän on toimittava toisiaan kohtaan veljeyden hengessä.

Samisch (Nordsamisch):

(9)

Buot olbmot leat riegádan friddjan ja olmmošárvvu ja olmmošvuoigatvuoðaid dáfus dássásažžab. Sudhuude kea addib huervnu ha ianedivdym ha vyigjat gakget neabbydut gyunnuudeaset gyivdy vuekhakaš vuoiŋŋain.

Grönländisch:

(10)

Inuit tamarmik inunngorput nammineersinnaassuseqarlutik assigiimmillu ataqqinassuseqarlutillu pisinnaatitaaffeqarlutik. Solaqassusermik tarnillu nalunngissusianik pilersugaapput, imminnullu iliorfigeqatigiittariaqaraluarput qatanngutigiittut peqatigiinnerup anersaavani.

Die Beispiele zeigen, welch wichtige Funktion und auch welches Potenzial gerade die skandinavischen Sprachen in den nordischen Ländern haben, um diese fünf hoch entwickelten Staaten mit zirka 26 Millionen Einwohnern für Semikommunikation zu erschließen. Dass dieses Potenzial bei weitem nicht genutzt wird, sondern im Gegenteil durch die Verwendung des Englischen als allgemeine Verständigungssprache auch außerhalb von wissenschaftlichen beziehungsweise generell professionellen Zusammenhängen zunehmend unter Druck zu stehen scheint, wird durchaus kritisch diskutiert (vgl. zum Beispiel Torp 2004: 73 und Grünbaum / Reuter 2013: 8).

2.3.2. Gesprochene skandinavische Sprachen

Im zweiten Beispiel erfolgt eine Konzentration auf die skandinavischen Sprachen Schwedisch, Dänisch und Norwegisch, die aus der Perspektive der Semikommunikation immer wieder Gegenstand von Untersuchungen gewesen sind. Das für die vorliegende Fragestellung wichtigste Ergebnis, das von mehreren Studien reproduziert worden ist, ist folgendes: Während geschriebenes Dänisch, Norwegisch oder Schwedisch generell keine großen semikommunikativen Probleme bereitet – am ehesten zwischen Dänisch und Schwedisch, dann jedoch gleichermaßen in beide Richtungen –, kommt es bei gesprochener Sprache zu auffälligen Asymmetrien. Es ist insbesondere das gesprochene Dänisch, das Probleme bereitet, und es sind die Schwed/innen, die sich mit dem Verstehen besonders schwertun.

Abbildung 2. Telemann 1987 (zitiert in Løland 1997)

Abbildung 2 zeigt die Ergebnisse einer Untersuchung von Teleman (1987) zum Verstehen von gesprochenem Norwegisch, Schwedisch und Dänisch, das heißt der drei zentralen nordischen Semikommunikationssprachen. Erhoben wurden die Untersuchungsdaten bereits in den 1970er Jahren mit Rekruten aus den drei Hauptstädten, Oslo, Stockholm und Kopenhagen als Informanten. Die dicke Linie zeigt an, wie viel ein/e Sprecher/in der einen Sprache von jeweils den beiden anderen versteht bzw. angibt zu verstehen. In dem Dreieck oben links wird angezeigt, wie viel Schwedisch (svensk) und Dänisch (dansk) eine Person mit Norwegisch als L1 (norsk lytter ‘norwegische/r Hörer/in’) verstehen kann: Etwas mehr Schwedisch als Dänisch, aber von beiden Sprachen sehr viel. Das Dreieck oben rechts zeigt, wie viel Norwegisch (norsk) und Schwedisch (svensk) eine Person mit Dänisch als L1 (dansk lytter ‘dänische/r Hörer/in’) verstehen kann und es wird deutlich, dass Norwegisch für Dän/innen sehr gut zu verstehen ist, während das Schwedische doch einige Schwierigkeiten bereitet. Klar wird auch, dass Dän/innen Norwegisch besser verstehen als umgekehrt Norweger/innen Dänisch. Im Dreieck unten wird die dritte Variante gezeigt: Schwed/innen (‘schwedische/r Hörer/in’) können Dänisch kaum, Norwegisch hingegen recht gut verstehen. Deutlich wird somit, dass es vor allem die Verständigung Dänisch-Schwedisch ist, die Probleme bereitet, und innerhalb dieser wiederum das Verstehen des gesprochenen Dänisch. Die asymmetrische Situation muss jedoch zum Teil auch als der Erhebungsmethode geschuldet betrachtet werden: Während Kopenhagen und Oslo geographisch nah oder doch recht nah am schwedischen Sprachgebiet platziert sind, liegt Stockholm abseits des dänischen und norwegischen Sprachgebiets, mit einer anzunehmenden niedrigeren Intensität sprachlicher Kontakte. Torp (2004: 71) weist außerdem darauf hin, dass zur Zeit der Datenerhebung zwar in Kopenhagen und Oslo schwedisches, in Stockholm jedoch kein dänisches oder norwegisches Fernsehen empfangen werden konnte. Die Frage, wie stark der Einfluss dieser Faktoren auf die Ergebnisse ist, muss allerdings unbeantwortet bleiben.

Die Frage, ob intensivere Sprachkontakte ein besseres Verstehen der Nachbarsprachen zur Folge hat, wird von Kürschner / Gooskens (2011) aufgegriffen und in einem internetbasierten Experiment untersucht, bei dem Gymnasiast/innen bestimmte Einzelwörter (Substantive) aus einer anderen germanischen Sprache übersetzen sollten. Es handelt sich hier also nicht um eine Erhebung der Selbsteinschätzung des globalen Sprachenverstehens, sondern um die messbare „Erkennung von Lautketten [aus den Nachbarsprachen, K.G.] und den Abgleich dieser Lautketten mit den im mentalen Lexikon abgespeicherten Vergleichsketten“ (Kürschner / Gooskens 2011: 161) der eigenen Sprache; inwieweit das Erkennen von isoliert präsentierten Wörtern mit dem Verstehen einer Sprache gleichzusetzen ist, kann sicherlich diskutiert werden. Interessanterweise ergeben sich bei dem Experiment jedoch kaum signifikante Ergebnisse, die belegen würden, dass die Grenznähe des Wohnortes (und damit intensivere Sprachkontakte) zu einem besseren Verstehen führen würden.

Außerhalb der skandinavischen Länder stellt sich die semikommunikative Situation folgendermaßen dar: Dänisch ist als Schulsprache in Island, auf den Färöern und in Grönland stark präsent. Das Dänische in diesen Ländern bzw. Regionen zeichnet sich dadurch aus, dass es „näher an der Schrift“ ist, das heißt, dass es die jüngsten Schwächungs- und Verschleifungsprozesse des Dänemark- und insbesondere des Kopenhagen-Dänischen nicht mitgemacht hat. Dadurch ist es für andere Bewohner/innen der nordischen Länder leichter zu verstehen; für das Verstehen des Dänemark-Dänischen stellt dies jedoch eine zusätzliche Schwierigkeit dar. Schwedisch wiederum gehört zu den autochthonen Sprachen in Finnland und ist ebenfalls im Schulsystem präsent, aber es ist doch für die meisten Finn/innen eine Fremdsprache mit entsprechenden Konsequenzen für das Verstehen der anderen skandinavischen Sprachen. Auch Finnländer/innen mit Schwedisch als L1 haben große Schwierigkeiten, gesprochenes Dänisch zu verstehen.

Abbildung 3. Uhlmann 1991 (in der Darstellung von Vikør 1995)

Abbildung 3 gibt die Ergebnisse einer Untersuchung von Börestam Uhlmann von 1991 wieder, in der Darstellung von Vikør 2001. Neben Norweger/innen (N), Schwed/innen (S) und Dän/innen (D) werden hier Finnlandschwed/innen (FS) als eigenständige Gruppe behandelt. Basierend auf der Selbsteinschätzung der Sprecher/innen – junge Leute, die im Rahmen eines Austauschprogramms in einem anderen skandinavischen Land einen Sommerjob hatten – sind die Zahlen an den Pfeilen ein Maß dafür, wie viele der Befragten in Prozent angaben, die jeweilige Sprache „sehr gut“ zu verstehen (die Antwortalternativen waren „einigermaßen“ und „schlecht“). Die Richtung der Pfeile steht für die Richtung der Kommunikation: 47,9 über dem Pfeil von D nach S bedeutet, dass 47,9 Prozent der Schwed/innen angeben, Dänisch „sehr gut“ zu verstehen. Bekannt ist eine Tendenz zur Überbewertung des eigenen Verstehens, allerdings ist Verstehen ist auch schwer zu quantifizieren. Wie auch immer man die methodologischen Probleme bewerten mag, die Zahlen zeigen, dass relativ gesehen gesprochenes Dänisch durchgängig Verstehensprobleme hervorruft.

Im Folgenden wird anhand eines Ausschnitts (des Textanfangs) der in der Phonetik oft genutzten Fabel Der Nordwind und die Sonne in der dänischen und in der schwedischen Version illustriert, wie unterschiedlich die phonetischen Realisierungen zweier graphematisch nicht sonderlich weit voneinander abweichenden Sprachen sind.

In deutscher Version (11) lautet der Textanfang wie folgt (Kohler 1999):

(11)

Einst stritten sich Nordwind und Sonne, wer von ihnen beiden wohl der Stärkere wäre, als ein Wanderer, der in einen warmen Mantel gehüllt war, des Weges daherkam. Sie wurden einig, daß [sic] derjenige für den Stärkeren gelten sollte, der den Wanderer zwingen würde, seinen Mantel abzunehmen.

Beim Schwedischen (Engstrand 1999) lassen sich die in (12) gegebene graphematische Repräsentation und die Transkription in Abbildung 3 noch relativ leicht Segment für Segment aufeinander beziehen, abgesehen von einzelnen Reduktionen wie <Nordan> ~ [nù:ɖan] ‘Nord’, <och> ~ [ɔ] ‘und’ oder <var> ~ [vɑ] ‘war’:

Schwedisch – Graphematische Repräsentation:

(12)

Nordanvinden och solen tvistade en gång om vem av dom som var starkast. Just då kom en vandrare vägen fram, insvept i en varm kappa. Dom kom då överens om, att den som först kunde få vandraren att ta av sig kappen, han skulle anses vara starkare än den andra.

Schwedisch – Phonetische Repräsentation:

Abbildung 4: Textanfang Nordwind und Sonne, schwedische Version, Engstrand (1999: 141).

Beim Dänischen (Grønnum 1998) sind die Verhältnisse andere, die Herstellung von Graphem-Phonem-Korrespondenzen fällt deutlich schwerer, vgl. (13) und Abbildung 5:

Dänisch – Graphematische Repräsentation:

(13)

Nordenvinden og solen kom engang i strid om, hvem af dem der var den stærkeste. Da så de en vandringsmand, der kom gående, svøbt i en varm kappe. Og de enedes om, at den der først kunne få kappen af ham skulle anses for den stærkeste.

Dänisch – Phonetische Repräsentation:

Abbildung 5: Textanfang Nordwind und Sonne, dänische Version, Grønnum (1998: 104)

Weshalb gesprochenes Dänisch so schwer zu verstehen ist, hat Grønnum 2003 zusammengefasst: Neben sehr stark reduzierten unbetonten Silben, neben Assimilationen und Elisionen über die Silben- und damit auch Wortgrenzen hinweg spielt die Schwächung bin hin zur Vokalisierung von Konsonanten – sogar von Obstruenten (vgl. Basbøll 2005: 258-259) – eine wesentliche Rolle, da sie nicht nur viele phonetische Diphthonge entstehen lässt, sondern auch, wie Bleses und Basbøll im Kontext von dänischem L1-Ewerb (2004) diskutieren, die Segmentierung von Wörtern und die Identifizierung von Silbengrenzen erschweren. Hinzukommen als ungewöhnliche und für das Dänische charakteristische Lauterscheinungen das so genannte „weiche d“, ein dentaler Approximant[3] [ð̞] sowie der Stød (Stoßton), eine Art Laryngalisierung (Knarrstimme, creaky voice), im Beispiel (Abbildung 5) durch [ˀ] symbolisiert.

Es ergibt sich insgesamt folgendes Bild an Unterschieden (und, implizit, Gemeinsamkeiten) zwischen dem Schwedischen, Dänischen und Norwegischen:

Abbildung 6: Hauptsächliche, die Semikommunikation beeinträchtigende Unterschiede zwischen skandinavischen Sprachen (nach Gooskens 2007)

Die Abbildung zeigt in schematischer Weise, dass es zwischen dem Dänischen und dem Norwegischen vor allem phonetische Unterschiede sind, die die Verständlichkeit reduzieren, während, implizit, die Lexik keine Probleme bereitet. Zwischen dem Schwedischen und dem Norwegischen sind in erster Linie lexikalische Unterschiede für Verstehensprobleme verantwortlich, während sich, implizit, die Phonetik als unproblematisch erweist. Zwischen dem Dänischen und dem Schwedischen sind sowohl phonetische als auch lexikalische Unterschiede für die Beeinträchtigung des Verstehens verantwortlich.

3. Die Krimi-Serie Broen – Bron (‘Die Brücke’) in audiovisueller Translation

3.1. Audiovisuelle Translation

In diesem Beitrag soll nicht im Detail auf die Bedingungen audiovisueller Translation eingegangen werden. Erinnert sei lediglich an den Umstand, dass die Untertitelung als „gekürzte Übersetzung eines Filmdialogs, die synchron mit dem entsprechenden Teil des Originals auf dem Bildschirm bzw. auf der Leinwand zu sehen ist“ (Hurt und Widler 1998: 261), gewissen Beschränkung unterliegt und, als Richtwert, zwei Zeilen mit je 35 Zeichen umfasst, die zentriert am unteren Bildrand für zwei bis höchstens sechs Sekunden sichtbar sind. Dies kann insbesondere bei dialogintensiven Filmen zu Problemen führen, da Reduktionen unvermeidlich sind. Generell ist aber die inhaltliche Reduktion (über Redundantes hinaus) nicht besonders umfangreich, vgl. Kristmansson (1996). Nichtstandradsprachliches wie dialektale Färbungen, soziolektale Eigenheiten oder andere Besonderheiten des Varietätenspektrums einer Sprache jenseits der Standardvarietät sowie fremdsprachliche Akzente erweisen sich in der Untertitelung als Translationsproblem und werden deshalb in der Regel mehr oder weniger stark reduziert; vgl. hierzu zum Beispiel Geyer (2013, 2015). Die Synchronisation wiederum wird, vor allem in Synchronisationsländern selbst, immer wieder als künstlerische Verfälschung kritisiert, die das Publikum der Möglichkeit berauben würde, den „originalen“ Dialog mit den „originalen“ Stimmen zu hören. Dass dies nur bedingt der Realität der fiktionalen Filmwelten[4] entspricht, die ja teilweise selbst mit Nachsynchronisation arbeitet, liegt auf der Hand; dass Synchronisation in jedem Fall einen massiven Eingriff in das Kunstwerk Film darstellt, ebenfalls.[5]

Mehr als die tatsächlichen Stärken und Schwächen der beiden Verfahren Untertitelung und Synchronisation scheinen jedoch die sehr konservativen Sehgewohnheiten und -erwartungen in den Synchronisations- wie in den Untertitelungsländern in Verbindung mit einflussreichen wirtschaftlichen Interessen und etablierten Strukturen der lokalen Translationsindustrien zum Erhalt des Status Quo beizutragen (vgl. Jüngst 2010: 4-6).

Im untersuchten Fall der Krimi-Miniserie Broen – Bron (‘Die Brücke’) ist die deutsche Fassung die einzige synchronisierte. Die nordischen Sprachen und die englische Fassung arbeiten mit Untertiteln. Im Folgenden ist zu analysieren, wie die unterschiedlichen Sprachfassungen das Phänomen der dänisch-schwedischen Semikommunikation handhaben.

3.2. Über die Serie

Erstmals im September 2011 in Dänemark und Schweden und im März 2012 in Deutschland ausgestrahlt, hat sich die dänisch-schwedische Krimiserie Broen – Bron (‘Die Brücke’; Broen ist der dänische, Bron der schwedische Titel) zu einem überaus erfolgreichen Format mit mittlerweile vier Staffeln entwickelt; es gibt auch eine US-amerikanische, eine französisch-britische und eine russische Adaption von Broen – Bron. Der für das Krimi-Genre durchaus anspruchsvolle und gesellschaftsrelevante Plot soll hier nicht weiter ausgeführt werden; er kann auf den einschlägigen Internet-Portalen nachgelesen werden. Was Broen – Bron aus der Perspektive der audiovisuellen Translation interessant macht, ist, dass ein wesentliches Moment in der dänisch-schwedischen polizeilichen Zusammenarbeit zwischen den beiden Protagonist/innen, der schwedischen Kriminalkommissarin Saga Norén aus Malmö und dem dänischen Kriminalkommissar Martin Rohde aus Kopenhagen, besteht. Überhaupt ist das Zusammenspiel von und der Wechsel zwischen den dänischen und den schwedischen Schauplätzen, Figuren und Milieus ein charakteristisches Merkmal der gesamten Serie. Die Öresund-Brücke zwischen Kopenhagen und Malmö symbolisiert diese Verbindungen, und sie ist zugleich Schauplatz der Eröffnungsszene. Zur dänisch-schwedischen Thematik, die nicht immer frei von stereotypischen Darstellungen inszeniert wird, gehört auch die Semikommunikation mit den beiden Sprachen Dänisch und Schwedisch einschließlich der Verstehensprobleme, die in manchen Szenen thematisiert wird. Eine Rezensentin bemerkt dazu: „Besonderes Highlight der Serie ist außerdem das Zusammenprallen der schwedischen und dänischen Sprache und die damit einhergehenden (vor allem für Sprachkundige nachvollziehbaren) kleinen Konflikte.“ (Jaana Bla 2013 auf [url=http://www.besser-nord-als-nie.net/allgemein/ungleich-vor-dem-gesetz]http://www.besser-nord-als-nie.net/allgemein/ungleich-vor-dem-gesetz[/url], 22.09.2013)

Dieser Beitrag konzentriert sich auf die erste Staffel. Es wird mit zwei DVD-Ausgaben gearbeitet: Zum einen ist dies die skandinavische Ausgabe (Scanbox, 2012, 4 DVDs) für die dänischen, norwegischen, schwedischen, finnischen und englischen Untertitel, zum anderen die deutsche Ausgabe mit dem Titel Die Brücke – Transit in den Tod (Edel, 2012, 5 DVDs) für die deutsche Synchronfassung, die durch die FFS Film- & Fernseh-Synchron in Berlin erfolgte. Da die standardmäßigen dänischen und schwedischen Untertitel nur die jeweils andere Sprache in den Dialogen enthalten – also die dänischen Untertitel nur das Schwedische und die schwedischen Untertitel nur das Dänische, – wird für diese beiden Sprachen auf die Untertitel für Hörgeschädigte und Gehörlose zurückgegriffen, die die kompletten, mehrsprachigen Dialoge enthalten.

Als Drehbuch-Hauptautor der Staffel firmiert Hans Rosenfeldt, Ko-Autor/innen sind Camilla Ahlgren, Måns Mårlind, Nikolaj Scherfing und Björn Stein. Regie führten Henrik Georgsson, Charlotte Sieling und Lisa Siwe. In den Hauptrollen der schwedischen Kommissarin Saga Norén ist Sofia Helin zu sehen und Kim Bodnia spielt den dänischen Kommissar Martin Rohde.

3.3. Zwei Szenen

Zwei Szenen sollen untersucht werden. Zum einen ist dies – Szene 1 – die erste Begegnung der schwedischen Kriminalkommissarin Saga Norén mit dem dänischen Kriminalkommissar Martin Rohde aus Kopenhagen, bei der der dänische Kommissar seiner schwedischen Kollegin auf deren Frage hin seinen Namen sagt. Da sie den Namen nicht versteht, muss Rohde ihn buchstabieren. Zum anderen handelt es sich um eine etwas längere Szene, in der der Martin Rohde erstmals das schwedische Kriminalteam in Malmö besucht, wo er (Szene 2a) sowohl die richtige Aussprache seines Namens erklärt als auch (Szene 2b) eine kurze Sachverhaltsdarstellung zu einem bis dato ungelösten Mordfall gibt, diese aber anschließend langsamer und deutlicher artikuliert wiederholen muss, da die Mitglieder des schwedischen Kriminalteams wegen sprachlicher Schwierigkeiten nur unzureichend folgen können.

3.3.1. Szene 1

Die erste Begegnung von Saga Norén mit Martin Rohde spielt sich auf der Öresund-Brücke zwischen Kopenhagen/Dänemark und Malmö/Schweden ab; direkt auf der Brücke, quer zur Fahrbahn, verläuft die Staatsgrenze zwischen den beiden Ländern, und da die gefundene Leiche zur Hälfte auf der dänischen und zur Hälfte auf der schwedischen Seite der Grenze liegt, wird eine dänisch-schwedische polizeiliche Zusammenarbeit erforderlich – auch wenn diese Aussicht nicht auf Gegenliebe der als autistisch gezeichneten Figur Saga Norén stößt. Als Rohde im Zusammenhang mit Kompetenzstreitigkeiten der schwedischen Kollegin seinen Namen nennt und Saga Norén den Namen nicht versteht, muss Martin Rohde ihn buchstabieren (7 Min. 45 Sek.). Die phonetische Form des Nachnamens [ʁo:ð̞ə] enthält den Approximanten [ð̞] als eines der für das Verstehen von gesprochenem Dänisch kritischen Elemente; darüber hinaus ist die zweite Silbe stark reduziert.

Der Dialogtext ist folgender, in literarischer Transkription:

S = Saga Norén, Schwedisch; M = Martin Rohde, Dänisch

(14)

S

M

S

M

S

M

Du, vad heter du? ‘Du, wie heißt du?’

Martin.

mer? ‘Weiter?’

Rohde.

Ro…?

er o ho de e.

Bemerkenswert ist, dass die Untertitelungen für diese Sequenz etwas unterschiedliche Strategien wählen: Der dänische Untertitel verzichtet auf die Darstellung der Nachfrage und zeigt nur das Buchstabieren unter Verwendung von durch Kommata getrennten Majuskeln an: „R, O, H, D, E.“ Das Schwedische und ebenso das Finnische geben die Nachfrage mit dem Wortabbruch „Ro…?“ wieder, in der zweiten Untertitelzeile erfolgen sodann die Anzeige des Sprecherwechsels mittels Bindestrich sowie das Buchstabieren anhand von durch Bindestriche getrennten Buchstaben: „-R-o-h-d-e.“ Die englischen Untertitel schließlich präsentieren in der Nachfrage den vollen Namen (eingeleitet durch Sprecherwechsel-Bindestrich) „-Rohde?“ und in der zweiten Untertitelzeile als Antwort, wie im dänischen Untertitel, das Buchstabieren unter Verwendung von durch Kommata getrennte Majuskeln: „R, O, H, D, E.“ Es ist fraglich, ob durch diese Darstellung das semikommunikative Sprachproblem vermittelt werden kann. Allerdings unterstützen in jedem Falle die fragende Mimik von Norén und der gesamte situationelle Kontext das Verstehen der Szene.

In der deutschen Synchronfassung wird die Szene folgendermaßen behandelt:

S = Saga Norén; M = Martin Rohde

(15)

S

M

S

M

S

M

Und Sie, wie heißen Sie?

Martin.

Und weiter?

Rohde. [ʁɔ:ə]

Ro…?

er o ha de e.

Dass der dänische Polizist zunächst nur seinen Vornamen nennt, mag merkwürdig erscheinen, selbst wenn man sich im aus deutscher Perspektive skandinavischen Duz-Universum befindet. Die sehr undeutliche Aussprache des auf Nachfrage genannten Nachnamens, die eine weitere Nachfrage und schließlich das Buchstabieren bewirkt, kann jedoch immerhin einen Hinweis auf Kommunikationsschwierigkeiten vermitteln, wenn auch die spezielle Situation der Semikommunikation durch die Synchronisation in durchgängig deutscher Sprache verloren geht.

3.3.2. Szene 2a

Bei Szene 2a handelt es sich um eine etwas längere Szene, in der der Martin Rohde erstmals das schwedische Kriminalteam, bestehend aus Saga Norén und fünf weiteren Personen, in Malmö besucht. Zunächst erklärt Rohde die richtige Aussprache seines Namens (31 Min. 14 Sek.), daran anschließend gibt er eine kurze Sachverhaltsdarstellung zu einem ungelösten Mordfall (31 Min. 38 Sek.). Da die Mitglieder des schwedischen Kriminalteams wegen der sprachlichen Schwierigkeiten nur unzureichend folgen können, sieht er sich gezwungen, die Darstellung langsamer und deutlicher artikuliert zu wiederholen.

Der Dialogtext von Szene 2a ist folgender, in literarischer Transkription:

S = Saga Norén, Schwedisch; M = Martin Rohde, Dänisch

(16)

S

 

M

Det här er Martin Rohde [ʁɔð̞ə] från Köpenhamns polis.

‘Das hier ist Martin Rohde von der Polizei Kopenhagen’

Hej [hɛʝ]. Det er Rohde. Ligesom når du skal sige ’rødgrød med fløde’. Rohde … flode.

‘Hej. Es ist Rohde. Wie wenn du rødgrød med fløde sagen sollst. Rohde … flode.’

In der kurzen Sequenz sind mehre Aspekte bemerkenswert: Zum einen verwendet der dänische Polizist die schwedische Variante hej des Grußes, nicht das dänische hei [hai], und zeigt damit Verständnis für die Probleme der Semikommunikation an beziehungsweise signalisiert seine Bereitschaft zur sprachlichen Kooperation. Das anschließende rødgrød med fløde ‘Rote Grütze mit Sahne’ ist die wohl bekannteste Phrase, anhand derer Dän/innen selbst einerseits die charakteristischen Besonderheiten der Lautung des Dänischen explizieren und andererseits die Qualität der erworbenen phonetischen Dänischkenntnisse von Ausländer/innen überprüfen, also ein typisches Schibboleth. Ein hervorstechendes Merkmal ist der dentale Approximant [ð̞], der gleich an vier Stellen vorkommt, davon drei Mal in Verbindung mit dem ebenfalls charakteristischen Stød [ˀ]: [ʁœð̞ˀgʁœð̞ˀ mɛð̞ˀ flø:ð̞ə].[6] Hinzu kommen die gerundeten Vordervokale [œ] und [ø], die zwar im Kontext der anderen skandinavischen Sprachen, des Finnischen und des Deutschen unauffällig sind, typologisch allerdings eher selten auftreten (vgl. Maddieson 1984: 124) und beispielsweise auch im englischen Lautinventar fehlen. Das allen Skandinaviern geläufige dänische Schibboleth wird in Szene 2a für die Erklärung der richtigen Aussprache des Namens aktiviert. Dass am Ende eine Assonanz von Rohde mit flode hergestellt wird, ist insofern bemerkenswert, als flode ein Wort ist, dass es im Dänischen nicht gibt,[7] dessen Aussprache [flo:ð̞ə] aber aus der phonotaktischen Wohlgeformtheit und im Untertitel aus der graphematischen Form regelmäßig vorhergesagt werden kann.

Welche Lösungen die Untertitel finden, soll nun im Detail analysiert werden. Die dänischen Untertitel geben den Dialogtext glatt wieder, einschließlich des Phantasiewortes flode. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass es sich bei den untersuchten dänischen um Untertitel für Hörgeschädigte und Gehörlose handelt, denn nur dort wird überhaupt das Dänische untertitelt. Die dänischen Standard-Untertitel untertiteln nur die schwedischen Passagen.

Dass das Norwegische in semikommunikativer Hinsicht dem Dänischen am nächsten ist, zeigt sich daran, dass die Assonanz Rohde – flode ohne Untertitel bleibt; die Erwartung ist offenbar, dass das Publikum die Passage versteht. flode im Untertitel wäre denn auch keine funktionale Option, da es, obwohl auch im Norwegischen kein existierendes Wort, im Kontext der existierenden Wörter flod ‘Flut; (breiter) Fluss’, Pl. floder die phonetische Form [flʉ:də] evozieren würde; vgl (17):

(17)

M

Jeg heter Rohde. Akkurat

som i ”rødgrød med fløde” |

[kein UT]

‘Ich heiße Rohde. Genau wie in rødgrød med fløde.’

Der schwedische Untertitel versucht, die besondere phonetische Qualität des durch die Graphemfolge <th> wiederzugeben, wohl in Anlehnung an den Lautwert des englischen intervokalischen <th> als Frikativ [ð]. Das Graphem <ø> – die schwedische Graphematik kennt nur <ö> – in fløde und damit ein Hinweis auf die dänische Charakteristik wird beibehalten, um nicht mit flode eine falsche Spur zu legen: flode gibt es zwar auch im Schwedischen nicht als Wort, die naheliegende Aussprache wäre aber wie im Norwegischen ungefähr [flʉ:də], was unnötige Verwirrung bzgl. des Vokals und der Assonanz der beiden Wörter stiften könnte.

(18)

M

Det ska vara ”Roothe”.

Ungefär som i rød grød med fløde… |

Rohde, fløde…

‘Es muss „Roothe“ sein. Ungefähr wie in rød grød med fløde. Rohde, fløde …’

Die finnischen Untertitel folgen den schwedischen:

(19)

M

Se lausutaan ”Roothe”

Niin kuin rød grød med fløde… |

Rohde, fløde…

‘Es wird “Roothe” ausgesprochen. So wie rød grød med fløde. Rohde, fløde…

Für das Englische funktioniert die Schibboleth-Phrase rød grød med fløde aus Gründen der kulturellen Distanz nicht. Gewählt wird deshalb etwas anderes, was allerdings recht undurchschaubar wirkt:

(20)

M

It’s Rohde

Not as when you say ”fur”

Rohde, Foure…

Immerhin scheint damit die übergeordnete Intention vermittelt werden zu können, nämlich dass der Name Rohde für die Schwed/innen nicht nur schwer zu verstehen, sondern auch schwer auszusprechen ist.

Auch die Lösung in der deutschen Synchronisation scheint nicht unproblematisch. Der deutsche Dialogtext ist folgender, in literarischer Transkription:

S = Saga Norén; M = Martin Rohde

(21)

S

M

Das ist Martin Rohde [ʁo:də] von der Kopenhagener Polizei.

Hallo. Ich heiß eigentlich Rohde [ɹɔ:ɖə]. Die Aussprache ist ganz leicht, man muss sich nur die Zunge verdrehen. [ɹɔ:ɖə] Nicht verkanten.” (lacht)

Bemerkenswert ist hier vor allem Korrektur des standardsprachlich ausgesprochenen Namens Rohde [ʁo:də], der ja relativ nah an der dänischen phonetischen Form liegt, hin zu einer Form mit einem anlautenden Approximanten [ɹ] und einem retroflexen Plosiv [ɖ] (beziehungsweise einem Schlaglaut [ɽ]). Die dadurch entstehende Aussprache erinnert stark an ostnorwegische Dialekte und ist für das Dänische völlig ausgeschlossen. Nirgendwo in der ersten Staffel erscheint der Name Rohde jemals wieder in dieser Lautform.

3.3.3. Szene 2b

Anschließend an die Klärung der richtigen Aussprache seines Nachnamens berichtet der dänische Polizist in Szene 2b in aller Kürze von einem ungelösten Mordfall, doch die ratlosen Blicke der schwedischen Kolleginnen und Kollegen vermitteln ihm, dass sie ihn nicht verstanden haben. Daraufhin wiederholt er die Darstellung des Sachverhaltes und passt dabei seine Sprechweise an die semikommunikativen Gegebenheiten an.

Der gesprochene dänische Text in der Szene ist folgender, in literarischer Transkription:

Erste Darstellung des Sachverhalts:

(22)

Alt peger på, at det er Monique Brammer, hun er 23 år gammel og født i København.

Prostitueret og narkoman. Hun forsvandt for 13 måneder siden og vi har aldrig fundet noget lig.

‘Alles deutet darauf hin, dass das Monique Brammer ist, sie ist 23 Jahre alt und in Kopenhagen geboren. Prostituierte und drogenabhängig. Sie verschwand vor 13 Monaten und wir haben nie eine Leiche gefunden.’

An die semikommunikativen Gegebenheiten angepasste Wiederholung:

(23)

Monique Brammer, 23 år. Hun er prostitueret narkoman. Hun forsvandt for 13 måneder siden og vi fandt aldrig noget lig.

‘Monique Brammer, 23 Jahre. Sie ist Prostituierte und drogenabhängig. Sie verschwand vor 13 Monaten und wir haben nie eine Leiche gefunden.’ [lit.: wir fanden nie eine Leiche]

Das Sprechtempo bei der ersten Darstellung ist relativ schnell, womit eine (noch) stärkere Reduktion unbetonter Silben einhergeht als sie ohnehin schon für das Dänische charakteristisch ist; in der Wiederholung spricht Rohde deutlich langsamer. Die gesamte Äußerung nimmt in beiden Varianten 7,2 Sekunden ein. Da die Wiederholung weniger Wörter umfasst (20 gegenüber 33), beträgt die Sprechgeschwindigkeit, gemessen in Silben (σ) pro Sekunde, jedoch in der ersten Darstellung 7,8 σ/sek. gegenüber 5,1 σ/sek. in der Wiederholung. Der erste Wert befindet sich im absolut oberen, der zweite Wert im unteren Bereich normaler Sprechgeschwindigkeit (vgl. beispielsweise Pompino-Marschall 1995: 238). Hinzu kommen die kaum modulierte Prosodie sowie die Phrasierung in lediglich zwei intonatorischen Einheiten in der ersten Darstellung gegenüber einer stärkeren prosodischen Konturierung (Betonungen und Tonhöhenbewegungen) und der Phrasierung vier intonatorische Einheiten bei der Wiederholung. Zudem ist die syntaktische Struktur bei der Wiederholung einfacher und um eine Informationseinheit (den Geburtsort Kopenhagen) reduziert.

Verbunden werden die erste Darstellung und die Wiederholung durch die Frage Rohdes (in literarischer Transkription):

(24)

Skal jeg tage den igen? Bare langsommere? (lacht)

‘Soll ich es wiederholen? Nur langsamer?’

Diese Frage wird im dänischen, norwegischen, schwedischen, finnischen und auch im englischen Untertitel gänzlich oder nahezu unverändert abgebildet, vgl.:

Dänischer Untertitel:

(25)

Skal jeg tage den igen? Bare langsommere?

‘Soll ich es wiederholen? Nur langsamer?’

Norwegischer Untertitel:

(26)

En gang til? Og saktere?

‘Noch einmal? Und langsamer?’

Schwedischer Untertitel:

(27)

Ska jag ta det igen, långsammare?

‘Soll ich es wiederholen, langsamer?’

Finnischer Untertitel:

(28)

Sanonko uudestaan ja hitaammin?

‘Soll ich es noch einmal und langsamer sagen?’

Englischer Untertitel:

(29)

Do you want me to repeat that? A bit slower?

Die deutsche Synchronisation hingegen fokussiert die (vermutlich) mangelnde Deutlichkeit der Artikulation:

(29)

Zu nuschelig, ja? Also deutlicher.

Und in der Tat ist Rohdes Sprechweise in der deutschen Synchronisation bei der ersten Darstellung sehr undeutlich („nuschelig“) im Hinblick auf Artikulation und Phrasierung und vom Höreindruck her in einer Weise nachlässig, die weder zur vorherigen (und folgenden) Sprechweise der Figur passt noch zur konkreten Situation; bei der Wiederholung entspricht die Artikulation hingegen dem gesprochenen Standard. Auch hier nimmt die Sprechgeschwindigkeit von der ersten Darstellung zur Wiederholung, gemessen in Silben pro Sekunde, ab, allerdings bei weitem nicht so stark wie im dänischen Originaldialog: von 7,3 σ/sek. zu 6,2 σ/sek., bei einer Gesamtdauer der Sequenz von 7,4 Sekunden. In der deutschen Synchronisation ist es vor allem die einfachere syntaktische Struktur, die die bessere Verstehbarkeit der Sachverhaltsdarstellung in der Wiederholung unterstützt:

Deutsche Synchronisation, erste Darstellung:

(30)

Ja, also, alles deutet hin auf Monique Brammer, 23 Jahre alt, geboren in Kopenhagen. Prostituierte, drogenabhängig, verschwunden vor 13 Monaten, ihre Leiche haben wir nie gefunden.

Deutsche Synchronisation, an die semikommunikativen Gegebenheiten angepasste Wiederholung:

(31)

Monique Brammer, 23 Jahre alt. Sie war Prostituierte und drogenabhängig. Verschwunden ist sie vor 13 Monaten. Ihre Leiche haben wir nie gefunden.

Die untertitelten Versionen gehen in ähnlicher Weise vor und rücken vor allem die syntaktische Vereinfachung in den Fokus. Die Reduktion von Informationen in der angepassten Wiederholung, das heißt die Nicht-Erwähnung des Geburtsorts des Opfers, wird auch im Untertitel abgebildet, so zum Beispiel im Dänischen:

Dänischer Untertitel, erste Darstellung:

(32)

Alt peger på, at det er Monique Brammer, 23 år og fra København.

Prostitueret narkoman. Hun forsvandt for 13 måneder siden og vi har aldrig fundet noget lig.

‘Alles deutet darauf hin, dass das Monique Brammer ist, 23 Jahre und von Kopenhagen.

Prostituierte und drogenabhängig. Sie verschwand vor 13 Monaten und wir haben nie eine Leiche gefunden.’

Dänischer Untertitel, an die semikommunikativen Gegebenheiten angepasste Wiederholung:

(33)

Monique Brammer, 23 år. Hun er prostitueret narkoman.

Hun forsvandt for 13 måneder siden. Vi fandt aldrig liget.

‘Monique Brammer, 23 Jahre. Sie ist Prostituierte und drogenabhängig.

Sie verschwand vor 13 Monaten. Wir haben nie die Leiche gefunden.’

Die norwegischen Untertitel gehen ganz ähnlich vor wie das Dänische, das heißt auch hier wird der Geburtsort des Opfers in der angepassten Wiederholung ausgelassen. Ausgelassen ist in der ersten Darstellung allerdings auch die Tatsache, dass das Opfer drogenabhängig war – dies wird in der Wiederholung als zusätzliche Information gegeben. Die syntaktische Vereinfachung ist jedoch weit weniger ausgeprägt als im Dänischen. Erwähnenswert ist ferner, dass der letzte Satz in der angepassten Wiederholung sogar um ein Wort länger ist als in der ersten Darstellung. Die Anpassung beziehungsweise Vereinfachung wird in den norwegischen Untertiteln somit nicht recht deutlich, was auch durch die Wortanzahl wiedergespiegelt wird (21 vs. 18).

Norwegischer Untertitel, erste Darstellung:

(34)

Det er trolig Monique Brammer. 23 år. Født i København. Prostituert.

Hun forsvant for 13 måneder siden. Vi fant ikke liket.

‘Das ist vermutlich Monique Brammer. 23 Jahre. Geboren in Kopenhagen. Prostituierte.

Sie verschwand vor 13 Monaten. Wir haben die Leiche nicht gefunden.’

Norwegischer Untertitel, an die semikommunikativen Gegebenheiten angepasste Wiederholung:

(35)

Monique Brammer. 23 år. Prostituert og narkoman.

Hun forsvant for 13 måneder siden. Vi fant aldri noe lik.

‘Monique Brammer. 23 Jahre. Prostituierte und drogenabhängig.

Sie verschwand vor 13 Monaten und wir haben nie eine Leiche gefunden.’

Der schwedische Untertitel eliminiert bereits in der ersten Darstellung den Geburtsort des Opfers, wodurch der Unterschied zwischen den beiden Versionen weitgehend verwischt. Der Untertitel zur ersten Darstellung enthält einen handwerklichen Fehler, nämlich eine Verwechslung der Sonderzeichen <å> und <ä> im Wort <nån>:

Schwedischer Untertitel, erste Darstellung:

(36)

Alt pekar på Monique Brammer – 23 år, prostituerad och narkoman.

Hon försvann för 13 månader sen och vi har aldrig hittat nän [sic! Korrekt ist: nån] kropp.

‘Alles deutet auf Monique Brammer hin – 23 Jahre, Prostituierte und drogenabhängig.

Sie verschwand vor 13 Monaten und wir haben nie eine Leiche gefunden.’

Schwedischer Untertitel, an die semikommunikativen Gegebenheiten angepasste Wiederholung:

(37)

Monique Brammer, 23 år. Prostituerad och narkoman.

Hon försvann för 13 månader sen och vi hittade ingen kropp.

‘Monique Brammer, 23 Jahre. Prostituierte und drogenabhängig.

Sie verschwand vor 13 Monaten und wir haben keine Leiche gefunden.’

Die beiden Versionen der finnischen Untertitel sind nahezu identisch. Auch hier fehlt, wie im Schwedischen, in der ersten Darstellung die Information, dass das Opfer aus Kopenhagen stammt. In der angepassten Wiederholung ist der letzte Satz sogar etwas länger und syntaktisch komplexer als in der ersten Darstellung. Ob damit die Pointe der dänisch-schwedischen Verstehensprobleme transportiert werden kann, ist fraglich, allerdings darf man beim finnischen Publikum eine gewisse Kenntnis der Problematik voraussetzen.

Finnischer Untertitel, erste Darstellung:

(38)

Ilmeisesti Monique Brammaer, 23. Prostituoitu ja narkomaani.

Hän katosi 13 kuukautta sitten. Ruumista ei löytynyt.

‘Offenbar Monique Brammer, 23 Jahre. Prostituierte und drogenabhängig.

Sie verschwand vor 13 Monaten. Die Leiche wurde nicht gefunden.’

Finnischer Untertitel, an die semikommunikativen Gegebenheiten angepasste Wiederholung:

(39)

Ilmeisesti Monique Brammaer, 23. Prostituoitu ja narkomaani.

Hän katosi 13 kuukautta sitten, mutta emme löytäneet ruumisata.

‘Offenbar Monique Brammer, 23 Jahre. Prostituierte und drogenabhängig.

Sie verschwand vor 13 Monaten, aber wir haben keine Leiche gefunden.’

In den englischen Untertiteln ist der Unterschied zwischen den beiden Versionen minimal (Relativsatz vs. Einfachsatz am Ende). Auch wenn die angepasste Wiederholung lediglich als „a bit slower“ (vgl. (29)) angekündigt worden ist, so scheint dies hier allzu wörtlich genommen zu sein, wodurch eine wesentliche Pointe der innerskandinavischen Semikommunikation verloren geht:

Englischer Untertitel, erste Darstellung:

(40)

It’s probably the 23-year-old Monique Brammer from Copenhagen.

A prostitute and an addict, that went missing 13 months ago.

Englischer Untertitel, an die semikommunikativen Gegebenheiten angepasste Wiederholung:

(41)

It’s probably the 23-year-old Monique Brammer from Copenhagen.

A prostitute and an addict. She went missing 13 months ago.

Die Beispiele zeigen bei aller Ähnlichkeit, dass im Einzelfall durchaus Unterschiede in den audiovisuellen Translationen bestehen, die ggf. zur Vermittlung der Pointe – die Schwierigkeit schwedischsprachiger Personen beim Verstehen von gesprochenem Dänisch – beitragen oder aber die Pointe verdunkeln können.

4. Schlussbemerkungen

Ob und wie weit Semikommunikation in den fünf nordischen Ländern auf Basis der skandinavischen Sprachen Dänisch, Schwedisch und Norwegisch eine echte Option für die Sprecherinnen und Sprecher darstellt oder doch einen gehörigen Anteil Ideologie enthält, diese Frage konnte und sollte in diesem Beitrag nicht geklärt werden. Außer Frage steht jedoch, dass gesprochenes Dänisch aus unterschiedlichen Gründen das größte Kommunikationsproblem darstellt, ein Umstand, der in den Sprachgemeinschaften wohlbekannt ist. Deshalb kann ein Schibboleth wie rød grød med fløde ‘rote Grütze mit Sahne’ auf unterschiedliche Weise in den skandinavischen Untertiteln, einschließlich der finnischen, verwendet werden, um dem Publikum einen Hinweise auf die entsprechenden Verstehensprobleme Dänisch-Schwedisch zu geben. Dies gelingt weder in den englischen Untertiteln, die lediglich irgendwie eine Art von Aussprachemerkwürdigkeit anzeigen, noch in der deutschen Synchronisierung, deren Strategien des phonetischen Exotismus und des „Nuschelns“ nicht unbedingt schlüssig erscheinen.

Als Forschungsperspektive für die Zukunft wäre sicherlich wünschenswert, Untersuchungen wie diese um rezipientenseitige Testungen zu erweitern, das heißt empirisch zu überprüfen, welche Charakteristika eines so kulturspezifischen Phänomens wie der innerskandinavischen Semikommunikation in der audiovisuellen Translation transportiert werden können beziehungswiese was davon vom Publikum rekonstruiert wird – oder ob und gegebenenfalls welche anderen, neuen Interpretationen vorgenommen werden.

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Wessén, Elias (1979) De nordiska språken, Stockholm, Almqvist & Wiksell.

Fußnoten

[1] Das Nordische Sprachsekretariat wurde 1996 wieder geschlossen und 1997 vorübergehend durch den Nordischen Sprachrat ersetzt; seit 2004 werden diverse neue, eher netzwerk- und projektorientierte Formen der internordischen Sprachzusammenarbeit ausprobiert (ausführlich hierzu Agazzi et al. 2014). Wie das Fehlen einer verlässlichen institutionellen Infrastruktur für die nordische Sprachzusammenarbeit mit der beobachtbaren Abnahme an Semikommunikationsfähigkeiten und -bereitschaft vor allem junger Menschen in den nordischen Ländern in Verbindung zu bringen ist, kann hier nicht geklärt werden.

[2] Die dänischen Zahlwörter unterscheiden sich von den norwegischen und schwedischen zum einen dadurch, dass sie im Zahlenraum 20-100 zuerst die Einerzahlen und dann die Zehnerzahlen nennen, z.B. to-og-tyve ‘zwei-und-zwanzig’ (also wie das Deutsche), während die anderen Sprachen der Reihenfolge Zehnerzahl – Einerzahl folgen, zum Beispiel schwedisch tjugo-två ‘zwanzig-zwei’ (wie auch das Englische, twenty-two). Zum anderen sind die Wörter für die Zehnerzahlen von 50 bis 90 nach einem Zwanziger-System gebildet (vgl. französisch quatre-vingts ‘80, lit. 4 x 20’): treds < tresindstyve ‘3 x 20’ heißt 60, halvtreds < halvtresindstyve ‘½ 3. x 20, halbdritt mal zwanzig’, entspricht zweieinhalb mal zwanzig, also 50.

[3] Entgegen manchen Darstellungen handelt es sich bei dem so genannten „weichen d“ nicht um einen Frikativ – vgl. detailliert zum Beispiel Grønnum (1998: 101).

[4] Einen etwas anderen Stellenwert kann man der Translationsdiskussion bei Informationsformaten zuschreiben, wenn der Originalton beispielsweise von Politikerinnen und Politikern durchaus von Interesse ist; darum geht es hier aber nicht.

[5] Vgl. zum Beispiel die Diskussion der Kritik an der Synchronisation bei Jüngst (2010: Kap. 3.3), die Auseinandersetzung mit den Vor- und Nachteilen von Synchronisation und Untertitelung bei Chiaro (2009) oder die kritische Analyse der Qualität synchronisierter Texte (in Fernsehserien) bei Herbst (1994).

[6] Eine alternative Formulierung mit identischer Funktion ist røgede ørreder ‘geräucherte Forellen’, ebenfalls mit dentalem Approximant und gerundeten Vordervokalen.

[7] Es existiert eine feste Wendung det floder, lit. ‘es flutet’, das heißt ‘die Flut steigt’ oder ‘es ist Flut’, mit finitem Verb; daraus rekonstruierbar ist der Infinitiv flode ‘fluten’ – der aber in den Wörterbüchern nicht verzeichnet ist.

About the author(s)

Klaus Geyer is an Associate Professor in German Language and Linguistics at the University of Southern Denmark (SDU) in Odense. He holds a Ph.D. in German Linguistics (2002) and a M.A. in General Linguistics (1998) from the University of Kiel, Germany. Before joining SDU in 2012, he held different positions at the Universities of Erfurt, Bielefeld, and Kiel (Germany) as well as at Vilnius Pedagogical University in Lithuania. He has been conducting research and has published on a broad range of linguistic topics from a functional point of view, both theoretical and applied. One of his major fields of interest is dialects and non-standard varieties in general and particularly their treatment in audio-visual translation, and he has published several articles on that specific topic during the last 15 years. Since 2005, he has been a member of the steering group for the MuliMeDialecTranslation conferences; he hosted the 2017 conference in Odense. Together with Margherita Dore, he is editor of a special issue of InTRAlinea on dialect and multimedia translation (2020).

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©inTRAlinea & Klaus Geyer (2019).
"Semikommunikation als Herausforderung für audiovisuelle Translation: die skandinavische Krimi-Miniserie Broen – Bron ('Die Brücke')"
inTRAlinea Special Issue: The Translation of Dialects in Multimedia IV
Edited by: Klaus Geyer & Margherita Dore
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Stable URL: https://www.intralinea.org/specials/article/2461

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